9. Kennenlerntreffen

Am 28. und 29. Januar 2006 fand das 9. Kennenlerntreffen von „Leben ohne Dich“ in Attendorn statt.

Für mich das erste Mal. Ziemlich gespannt und erwartungsvoll marschierte ich den Berg zur Politischen Akademie, in der das Treffen stattfand, hinauf. Ich hatte mich schon am Freitag in Attendorn einquartiert, da ich sonst nicht pünktlich zum Beginn des Treffens erschienen wäre.

Ziemlich früh, d. h. als Erste, traf ich in der Akademie ein. Nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte, setzte ich mich ins Foyer, um auf das Eintreffen der anderen betroffenen Eltern zu warten. Ein Vorteil, so lernte ich gleich Bodo und Tina persönlich kennen, die mich ganz herzlich begrüßten. Nach und nach trafen jetzt auch die anderen betroffenen Eltern ein. Wir begrüßten uns anfangs zögerlich, aber das gab sich sehr schnell.

Bevor das Treffen um 14:00 Uhr begann, wurden im Foyer die ersten Gespräche zwischen den „Neuen“ und denen, die sich schon kannten, geführt, und sehr schnell kam eine Vertrautheit auf, so dass ich mich in dieser Runde gut aufgehoben und getragen fühlte. Das klappte auch gut aufgrund der Namensschilder, die jeder an sich trug. Wir waren 31 Mamis und Papis, die erste Kennenlerngespräche im Foyer, beim Spazieren gehen und beim anschließenden Kaffee und Kuchen führten.

Danach ging es in den von Tina und Bodo vorbereiteten Gruppenraum. Eine wundervolle Stimmung umfing mich, leise meditative Musik erfüllte den Raum, auf dem Boden war liebevoll die Sonne gelegt mit den Sonnenstrahlen, auf denen auf jedem einzelnen Strahl die Namen unserer Kinder geschrieben waren; wir stellten unsere mitgebrachte Kerze und ein Bild unseres Kindes dazu und ich suchte mir einen Platz.

Rechts von mir auf dem Boden standen auf einem blauen Tuch weinrote Kerzen mit einem Engel auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Name unseres Kindes darauf, liebevoll von Ute und Carmen gebastelt, und links von mir lag ein weißes Tuch, auf dem mit farbiger Schrift die Namen, Geburts- und Sterbetage unserer Kinder, verziert mit bunten Glasteelichtern, geschrieben standen.

Freundeskreise in verschiedenen Größen waren auf dem Boden im Stuhlkreis verteilt und hinter dem Tuch mit den Namen unserer Kinder stand ein großer weißer Engel, von Angelika gebastelt, an dem viele bunte Teelichter befestigt waren.

Wir nahmen im Stuhlkreis Platz, Tina begrüßte uns und eröffnete die Vorstellungsrunde mit dem Hinweis, dass jeder sich nur so viel einbringen muss, wie er wirklich möchte. Es ist ein Kennenlerntreffen, kein Seminar. Sie nahm ein Teelicht in einem kleinen bauchigen Glasbehälter in ihre Hände, stellte sich und ihren Yannis vor und so wanderte nun das Licht von Hand zu Hand. Mit zum Teil sehr starken Gefühlsregungen stellten wir uns und unsere Kinder vor und zündeten die mitgebrachte Kerze für unser Kind an. Es war eine sehr emotionsgeladene Atmosphäre und viele viele Tränen wurden vergossen.

Das Motto dieses Kennenlerntreffens lautete „Engel“ und im Anschluss an die Vorstellungsrunde las uns Bodo die Geschichte vom „Engelchen Tobias, die Taube und die Blume“ vor, dann gab es eine Pause.

Nachdem wir uns wieder in den Stuhlkreis gesetzt hatten, wurden Engelkarten verteilt, auf dem jeder seine Gedanken an sein Kind schreiben sollte. Bodo wies uns auf die Bücher, die zum Einsehen auslagen, Taschen und Kalender hin, dann hatten wir eine Menge Zeit, um uns kennen zu lernen.

Im Anschluss daran las uns Carmen die Geschichte vom „Schutzengel für Kinder“ vor.

Nach dem Abendbrot bekam jeder von Angelika ein Kästchen mit unserem Namen, mit einem Engelbild und einem Engelspruch versehen, in die Hand und sie erklärte uns, dass wir auf die im Kästchen befindlichen Zettelchen für jeden von uns einen Satz oder ein Wort der Zuversicht schreiben mögen, um so – wenn wir wieder zu Hause sind – uns dieses Kästchen mit den guten Wünschen ansehen zu können, wenn es uns nicht so gut geht.

Wir hatten dazu eine ¾ Stunde Zeit und es war gar nicht so einfach, denn es waren immerhin 31 Zettelchen zu schreiben. Aber so gegen 21:15 Uhr, nachdem wir uns wieder in unseren Stuhlkreis niedergelassen hatten, waren alle Zettelchen geschrieben und nun ging es an das Verteilen. Wenn es auch ein bisschen turbulent zuging, so hatte am Schluss doch jeder sein Kästchen mit den guten Wünschen gefüllt.

Tina schloss den Abend mit einer „Befindlichkeitsrunde“ in der jeder mitteilte, wie es ihm jetzt geht und verteilte im Anschluss daran ein Fensterbild – ein Engelchen.

So gegen 22:00 Uhr gingen wir in das Kaminzimmer. Der Kamin war schon von Uwe angeheizt. Dies geschah ohne große Hektik wie wohl sonst immer, denn außer uns war keine Gruppe mehr im Haus, sehr zum Leidwesen von Ute, die so gern um das Kaminzimmer „gekämpft“ hätte.

Die mitgebrachten Naschis und Knabbersachen gingen genau so schnell weg wie die Pizzas, die sich einige „Dauerhungrige?“ bestellt hatten. In gemütlicher Runde klang dieser Samstag – für einige früher, für einige später – harmonisch aus.

Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, fanden wir uns wieder in unserem Raum ein. Es wurde in der „Blitzlichtrunde“ abgefragt, wie es uns heute geht und jeder teilte sich mit. Im Anschluss daran erklärte uns Tina, dass wir in einen anderen Seminarraum gehen würden in dem 3 unterschiedlich gestaltete Engel stünden, jeder sucht sich einen aus, um ihn zu bemalen. Es waren wunderschöne Engel aus Gips, die wir dann mit Eifer bemalten.

Ich habe teilweise noch nie so „poppige“ Engelchen gesehen, sie haben mir alle sehr gut gefallen.

Zurück in unserem Raum machte sich eine leichte Unruhe bemerkbar. Tina erklärte, dass das Lied „Bridge Over Troubled Water“ von Simon & Garfunkel, was wir gleich singen werden, seinen Ursprung in England bei dem 25. Jubiläum des ersten Vereins der verwaisten Eltern hat und mittlerweile fester Bestandteil zum Abschluss eines jeden Kennenlerntreffens geworden ist. Jeder der meint, er kann dies emotional nicht leisten, kann jederzeit rausgehen oder auch jetzt schon gehen, alles ist richtig. Es war sehr ergreifend und ging wirklich an die Substanz.

Und trotzdem, auch unter Schluchzen sangen doch fast alle mit.

Nach einer kleinen Pause suchte sich jeder einen Luftballon aus, die Bodo und Pierre vorher aufgeblasen hatten und befestigten die Engelkarten, die wir, mit unseren Gedanken an unsere Kinder versehen, beschrieben hatten, an dem Bändchen. Anschließend gingen wir alle zusammen in den schönen sonnigen Vormittag hinaus auf einen schneebedeckten Feldweg, der leicht anstieg.

In der Mitte des Weges sammelten wir uns und auf das Kommando von Melanie ließen wir alle zusammen unsere Ballons in den himmelblauen sonnigen Himmel steigen, hin zu unseren Kindern. Was für ein wunderschönes Farbenspiel, wie die bunten Luftballons, fast wie in einer Formation, dem herrlich blauen Himmel entgegen schwebten. Erst als wir sie nicht mehr sahen, gingen wir wieder zur Akademie.

Bevor es dann zum Mittagessen und somit zum Schluss dieses Treffens kam, las uns Pierre noch ein Gedicht „Ich wünsche Dir einen Engel“ vor, Tina verteilte an jeden von uns eine Engelkarte mit einem Sinnspruch darauf und Bodo eine kleine Geschichte „Engel haben bunte Flügel“, die wir aber erst später lesen sollten.

Nach dem Mittagessen hieß es Abschied nehmen.

Dieses Wochenende hat mir gezeigt, dass ich nicht allein mit meinem Schmerz bin und dass es Menschen gibt, die diesen Schmerz mit mir fühlen. Ich fühlte mich sicher, geborgen und vertraut in dieser Gruppe.

Danke an Euch, Bodo und Tina, und an die, die dazu beigetragen haben, dass wir zwei unvergessliche Tage erleben durften, zwar voller Sehnsucht nach unseren Kindern aber auch mit dem Wissen: Sie sind bei uns – immer!

Unsere Eltern:

Sitzend von links nach rechts: Pierre (Fynn), Carmen (Fabian), Angelika (Steffi), Melanie (Fynn), Tina (Yannis), Marion (Jessica), Irmi (Michael)
Dahinter sitzend: Christel (Robert), Claudia (Christian), Heike (Bastian)
Stehend von links nach rechts: Reine (Jean-Pierre), Ute (Jörg), Brigitte (Niklas), Ellen (Anne), Uwe (Bastian), Marita (Stephanie)
Dahinter: Dirk (Jessica), Ina (Johanna), Martina (Stefan), Claudia (Hannah), Christel (Birthe), Ursula (Michael), Michael (Michael)
Dahinter: Eva-Maria (Andrea), Uwe (Christian), Sepp (Jean-Pierre), Cornelia (Johannes), Hans-Peter (Stefan), Hans Otto (Birthe)

Vielen Dank, liebe Christel, für deinen Bericht, der die wundervollen Momente mit unseren Kindern und mit Euch allen sehr schön wiedergibt. Tina & Bodo

Alle Bilder © Copyright „Leben ohne Dich“