WAZ-Artikel vom 11.12.2004 (Lokalausgabe Mülheim)

„Leben ohne Dich“ hilft auf dem Weg der Trauer

Selbsthilfegruppe für verwaiste Eltern – Kontakt übers Internet – Gemeinsam gegen Tabuisierung des Todes – Gedenkgottesdienst

Von Katja Büchsenschütz

Nur sechs Tage ist Fabienne geworden, Fynn hat ein Jahr und 16 Tage gelebt. Als die Kinder starben, brach für ihre Eltern eine Welt zusammen. Sie stießen auf Hilflosigkeit im Umgang mit ihrer Trauer und auf die Tabuisierung des Todes. Und schlossen sich deshalb der Selbsthilfegruppe „Leben ohne Dich“ an.

„Ich habe mich ein Jahr lang nach ihrem Tod total abgeschottet“, erzählt Silvia R. Ihre Tochter Fabienne kam mit zwei Herzfehlern auf die Welt und überlebte die notwendige Operation nicht – sie wurde nur sechs Tage alt. Nach der Beerdigung tat sich für die Eltern ein Loch auf, Freunde und Angehörige wussten nicht mit ihrer Trauer umzugehen. Dabei betont Silvia R.: „Wer nicht über die Kinder spricht, macht genau das Falsche.“ Erst in der Selbsthilfegruppe „Leben ohne Dich“ fand sie Menschen, die sie verstehen. „Da habe ich meine Sprache wiedergefunden“, sagt die Mülheimerin heute. Der Kontakt zu anderen verwaisten Eltern sei besonders wichtig.

Im Internet auf die Gruppe gestoßen

So wie Pierre B. Er und seine Frau verloren Sohn Fynn durch plötzlichen Kindstod. Eines Morgens fand der Oberhausener seinen Sohn tot im Bettchen. „Eigentlich wollten wir an diesem Tag schwimmen gehen“, erinnert er sich. Schnell war für ihn klar, Hilfe in einer Gruppe zu suchen. Und stieß übers Internet auf „Leben ohne Dich“. Seine Erfahrung lautet: „Über das Internet kann man sich erstmal anonym rantasten. Und trotzdem geben einem sie Seiten viel zurück.“

Eltern merken: Wir sind nicht allein

Schließlich ging er zu einem Treffen der Selbsthilfegruppe, und war erstaunt: „Viele Männer waren da.“ Und er merkte: „Wir sind nicht allein.“ Wichtig sei, dass man in der Gruppe den ganzen Abend lang schweigen oder offen sein Herz ausschütten, aber auch mal lachen könne, eben ganz nach Stmmung. Und von den betroffenen Eltern, die schon ein Stück des beschwerlichen Weges ohne das geliebte Kind gegangen sind, zu lernen: „Es kommen auch wieder bessere Tage“.

Daran knüpft die Selbsthilfegruppe jetzt (WAZ berichtete) mit einem Gedenkgottesdienst, zusammen organisiert mit Pastor Volker Stamm, unter dem Titel „Wie ein Stern am Himmel“ am Sonntag, 12. Dezember, an. Weltweit wird am zweiten Sonntag im Monat Dezember der „Candle Lighting Day“ gefeiert, ein Gedenktag, an dem um 19 Uhr für alle verstorbenen Kinder Kerzen aufgestellt werden.

Ab 18 Uhr sind verwaiste Eltern mit ihren Angehörigen und Weggefährten in die Ev. Kreuzkirche an der August-Schmidt-Straße eingeladen. Dort soll Platz für Trauer und Erinnerung sein und im Anschluss Zeit für Gespräche.